Ein Kombitreffen ist eine gemeinsame Veranstaltung der Erwachsenen- und der Elternselbsthilfegruppe.
Der persönliche Erfahrungsbericht einer Mama.
Mein erstes Kombitreffen steht an. Ich bin das erste Mal allein zum Treffen unterwegs, da ich für mich auf der Suche nach Antworten bin.
Ich fahre in der Regel nur zum Nordtreffen der Eltern in Hannover und nehme immer viel wichtiges für mich mit. Nun hoffe ich auf dem Kombitreffen auf mehr Austausch mit anderen Erwachsenen Inter*-Menschen, um eventuell mehr über das Thema „Pubertät“ zu erfahren.
Die Aufregung vorher ist immer groß; auch die Nervosität ist jedes Mal wieder da. Wie wird es? Wer kommt? Kenne ich jemanden? Finde ich Anschluss? So viele Fragen und noch ein paar mehr sind im Gepäck dabei.
Schon die Ankunft ist super. Gleichzeitig mit mir ist ein bekanntes Gesicht auf dem Parkplatz und begrüßt mich herzlich. Die Anspannung springt in Freude um. Ich bin wieder da! Ich klinke mich direkt ein und frage, ob ich mit rein kommen kann, da ich das erste Mal hier in Duderstadt bin. Das ist natürlich wie immer kein Problem. Es ist immer besonders mit unseren lieben Angehörigen der Selbsthilfe aufeinander zu treffen. Oberflächlichkeit, Arroganz und Eitelkeit habe ich noch nie erlebt. Fremdheitsgefühl, Ablehnung oder Isolation ist kein Thema. Alle gehören zusammen und jeder nimmt jeden herzlich ohne Vorurteile auf. Wir sind eine Gemeinschaft. Das überrascht mich jedes Mal aufs Neue, da es woanders nicht so ist. Das Gefühl unter Freunden angekommen zu sein, ist sofort wieder da.
Als ich ins Haus reinkomme, begegne ich direkt lieben Menschen, auf die ich mich immer wieder freue. Werde herzlich begrüßt und aufgefordert mich anzuschließen. Alle anderen die ich noch nicht kenne sind ebenfalls offen und kommen mit mir ins Gespräch. Ich bin angekommen.
Erstmal aufs Zimmer, frisch machen und schon geht es los.
Das Kombitreffen wird auch immer von einer großen Anzahl von Mitgliedern des Vereins Intersexuelle Menschen e.V. besucht und ist so Gelegenheit für eine Mitgliederversammlung. Es steht also eine Vereinssitzung an. Viel Organisatorisches, Einblicke und Infos zu künftigen Vorhaben werden besprochen. Wahlen finden statt usw. Bisher konnte ich nicht früh genug anreisen und finde es sehr spannend. Danach geht es schon zur Vorstellungsrunde, die natürlich nicht fehlen darf! Nun hat auch wirklich niemand mehr einen Grund, nicht ins Gespräch zu kommen und Möglichkeiten zu haben sich anzuschließen. Schon in der Vorstellungsrunde liest man die Namensschilder überlegt, ob man sich vielleicht von den E-Mail Kontakten her schon kennt und sieht viele bekannte Eltern wieder. Es ist ein tolles Gefühl. Wir kommen alle schnell ins Gespräch darüber, wie es uns geht, was gerade anliegt und welche Fragen uns auf der Seele brennen?
Die Erstkontakte werden herzlich aufgenommen und können berichten, wie sie zu uns gefunden haben und warum. Immer sehr ergreifend für alle Eltern, da die Erinnerungen an die eigene erste Vorstellungsrunde aufkommen und jeden ein Stück in die eigene Geschichte zurück blicken lassen. Jeder von uns kennt diese „Not“ mehr zu erfahren und nach Antworten zu suchen. Eine Gelegenheit zu haben, Menschen zu treffen, die einem eine Vision von Zukunft geben können. Für mich war es diesmal ganz besonders, weil ich liebe Menschen persönlich kennen gelernt habe, die einer meiner ersten E-Mail Kontakte waren. Das war 2009. Mein Gott wie viel ist seit dem passiert. Eine spannende Reise in das Thema Vielfalt war das.
Unsere Kinder treffen sich wieder, freuen sich die anderen zu sehen und sind sofort wieder eins. Es ist ein großes Gefühl, für alle Eltern und Angehörigen, das zu beobachten. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Kind egal wie alt, nicht bei den anderen sein durfte. Es ist immer wieder eine besondere Begegnung.
Zum Abend hin trudeln auch die letzten ein. Es gibt viele Umarmungen und es geht in den gemütlichen Teil über. In schöner Atmosphäre in dem Café / Bar kommen wir zusammen, erzählen uns wie es seit dem letzten Treffen gelaufen ist und knüpfen Kontakte zu den neuen Teilnehmern.
Der Samstag startet mit bereits tollen Gesprächen beim Frühstück. Danach geht es zur ersten Gesprächsrunde. Es wird geschaut, was für Themen liegen an, wer möchte wo teilnehmen und wer kann dazu etwas berichten. Dieses mal habe ich mich für die Gruppe „Eltern für Eltern“ entschieden. Wir hatten Eltern mit erwachsenen Interkids* dabei, die bei Fragen in allen Lebensabschnitten über ihre Erfahrungen mit ihren Kids* berichtet haben. Ich glaube als Resümee nehme ich diesmal mit, dass viele Schwierigkeiten in den Jahren des Erwachsenwerdens nichts mit Intergeschlechtlichkeit zu tun hatten, dass es letztendlich leichter ging als gedacht und das alles gut geworden ist. Eine Vision von Zukunft die mir Hoffnung gibt, meinen Weg weiter zu gehen und Sicherheit, dass ich es gar nicht so falsch mache. Und falls doch, ist da draußen jemand, der mir Antworten oder Tipps geben kann. Wie toll das es unsere Selbsthilfe gibt. Es wird im Laufe des Tages viel gelacht, an manchen Treffen auch geweint und Mut zugesprochen, was für mich immer viel Balsam für die Seele ist. Nach dem Mittagessen ist noch ein schöner Spaziergang in die Natur und kleiner Gruppe möglich. Die Auszeit tut unheimlich gut. Manche gehen auf das Zimmer und nehmen sich eine Auszeit dort und wieder andere kommen zu kleinen privaten Gesprächen zusammen, so wie es jeder gerade braucht. Alles kann, nichts muss.
Auch der Abend klingt gemütlich aus. Die Kinder sind länger wach als gewöhnlich, nutzen die wenige besondere Zeit zusammen, meistens auch mit Gesellschaftsspielen am Tisch in friedlicher Einheit. Die Erwachsenen vertiefen begonnene Gespräche. Dies endet oft in gelassener Stimmung, wie unter Freunden und bringt viele schöne Momente die einen in die nächsten Tage begleiten. Schwer wird sich getrennt, damit man auch pünktlich zum Frühstück am nächsten Tag erscheinen kann.
Am Sonntagmorgen beginnt es mit einem ausgelassenen Frühstück mit einem kleinen Wermutstropfen, dass am Nachmittag schon die Abreise ansteht und man sich für eine bestimmte Zeit nicht mehr sieht. Los geht es mit den letzten Gesprächsrunden. Organisatorisches darf nicht fehlen, die Wahl des neuen Elternrates, Resümee der Einzelnen zu den vergangenen Tagen, was hat gut funktioniert, gut gefallen oder ist noch zu verbessern. Danach geht es zum Mittagessen, jeder schon ein klein bisschen in Gedanken bei seiner Abreise, bevor der große Abschied losgeht. Es werden Nummern ausgetauscht, liebe Worte mit auf den Weg gegeben und Freude auf das nächste Wiedersehen begleitet uns. Der Abschied fällt immer besonders schwer, da wir uns alle auf eine unerklärliche Weise miteinander verbunden fühlen und jede Begegnung uns so viel schenkt. Die Kinder sind traurig sich verabschieden zu müssen und tauschen fleißig ihre Handynummern aus, um die Freundschaften aufrechtzuerhalten und nehmen alle das wichtigste Gefühl von allen mit: „Wir sind nicht allein. Von uns gibt es ganz Viele!“
So bin ich mit vielen Tipps, Erinnerungen an schöne Gespräch, persönlichen Geschichten und lieben Worten wieder aufgebrochen und freue mich schon auf das nächste Treffen.